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Der Leidensweg einer Jüdin

Der Leidensweg einer Jüdin

Taunus Zeitung 09.11.2013

Heute jährt sich die sogenannte Reichspogromnacht zum 75. Mal. Stadthistorikerin Gerta Walsh erinnert in diesem Zusammenhang an die Geschichte der Homburger Jüdin Clara Adelheid Jacobi.

Clara Adelheid Jacobi (Foto oben re.) war eine der letzten Jüdinnen in Bad Homburg, die von der Gestapo inhaftiert wurde. Schon zuvor musste sie sich mit einer Juden-Kennkarte (unten li.) ausweisen. Aus dem KZ Theresienstadt brachte die Homburgerin einen Schein der dort gültigen „Währung“ mit. Das Grab von Clara Adelheid Jacobi findet sich auf dem evangelischen Friedhof am Untertor.

 

Bad Homburg

Clara Adelheid Jacobi, geborene Hanau, gehörte zu den vier letzten jüdischen Bad Homburgerinnen, die am 20. Mai 1943 im Meldebüro der Stadt abgemeldet wurden. Dort hieß es später: „Es sind keine vor dem Kriege hier ansässigen Juden nach 1945 nach Bad Homburg zurückgekehrt.“ Dies stimmt so aber nicht, denn Clara Adelheid Jacobi überlebte die Inhaftierung im Konzentrationslager Theresienstadt.


Die 1869 in Völklingen/Kreis Saarbrücken geborene Clara Adelheid Hanau heiratete 1894 in Metz den Homburger Carl Jacobi, der zu jener Zeit im Kaiserlichen Telegraphenamt Dienst tat. Der kirchlichen Trauung war der Beitritt der Braut zum evangelischen Glauben vorangegangen. Die beiden Töchter Berta (später verheiratete Diebel) und Else (später Stephan) kamen in Lothringen zur Welt, dann zog die Familie nach Homburg. Nach dem Tode von Carl Jacobi lebte seine Witwe seit 1930 bei ihrer Tochter Else und dem Enkel Carl-Heinz. Nach dem Kriege unterrichtete Else Stephan an der heutigen Humboldtschule und gehörte für die CDU dem Stadtparlament an.


Als Folge des am 14. Juni 1933 veröffentlichten Gesetzes „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verlor die verwitwete Frau Stephan ihre Lehrerstelle in Friedrichsdorf und musste sich bis Ende des Zweiten Weltkriegs kümmerlich durchs Leben schlagen. Zwei einflussreiche Personen halfen ihr jedoch: Ferdinand Pauly von der Friedrichsdorfer Keksfabrik und Dr. Alfred Teves, Gründer und Chef der Maschinen- und Armaturenfabrik in Frankfurt, der in Bad Homburg wohnte. Noch hoffte die Witwe, trotz ihrer jüdischen Abstammung unbehelligt zu bleiben, denn ihre Zugehörigkeit und innige Verbindung zur evangelischen Kirche schien nicht nur ihr ein Ausweg zu sein. Pfarrer Füllkrug von der Erlöserkirche erklärte am 2. Dezember 1938 schriftlich, Frau Jacobi sei ein Mischling ersten Grades, also keine reine Jüdin. Doch dieser Versuch zu ihrer Rettung misslang.


Vorladung zur Gestapo

Im November 1941 begann mit dem Erlass über „Die Abschiebung der Juden“ die große Verhaftungswelle, der 1943 eine weitere Massendeportation folgte. Und dann begann der Leidensweg der Adelheid Jacobi. Am 20. Mai 1943 wurde sie von der Bad Homburger Ortspolizei zur Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Frankfurt, Lindenstraße 27, vorgeladen. Hier wurde die alte Dame gegen ihren Willen in das jüdische Wohnheim im Hermesweg 5 eingewiesen, wo das Verlassen des Hauses verboten und die Postüberwachung streng war. Der Kontakt zur Außenwelt riss ab; erst vier Monate später erfuhr die Tochter, dass ihre Mutter am 7. Januar 1944 nach Theresienstadt gebracht worden war.
Anfangs war es den dortigen Insassen gestattet, ein Mal im Monat kurze Mitteilungen auf einer Postkarte an die Angehörigen zu schicken, später nur alle acht Wochen. Päckchen durften wöchentlich empfangen werden, doch wer konnte damals auch nur kleine Mengen an Lebensmitteln entbehren? Hier halfen Herr Pauly mit Keksen und Zwieback und Nachbarn mit etwas Obst aus.


Nach ihrer Befreiung erzählt sie, dass allein ihr starker Glaube und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihren Kindern und Enkeln sie aufrecht erhalten hätte. Ein erschütterndes Erlebnis beschäftigte sie noch lange. Im Lager traf sie einen Bad Homburger, der gerade von seiner Verlegung nach Auschwitz erfahren hatte und wusste, dass er dem baldigen Tode entgegensah. Er kam dort tatsächlich in der Gaskammer um.


Der Krieg endete am 8. Mai 1945, doch erst am 27. Mai fand Adelheid Jacobi Gelegenheit, ein Lebenszeichen an ihre Tochter zu senden. Fast zeitgleich erfuhr Else Stephan durch eine in der „Frankfurter Presse“ verbreitete Namensliste, dass ihre Mutter noch lebte. Am 5. Juli kehrte Adelheid Jacobi - nachdem sie über zwei Jahre gefangen gehalten war, davon ein Jahr und sechs Monate im KZ Theresienstadt - wieder nach Hause zurück. Dort erwarteten sie mehr schlechte als gute Nachrichten. Ihr Bruder Felix lebte seit 1940 in den USA, doch ihre Schwester, deren Mann und die sechs Kinder waren im Holocaust umgekommen. Sehr nahe ging ihr auch der Tod ihres Enkels Carl Wilhelm Diebel, der 1944 als Soldat gefallen war.


Grab am Untertor

Durch die zermürbenden Jahre der Verfolgung und ein Krebsleiden hinfällig geworden, starb Clara Adelheid Jacobi am 27. September 1947 im Kreise ihrer Familie im Haus in der Alten Mauergasse. Ihr Grab findet sich auf dem evangelischen Friedhof am Untertor.

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